Da unser Wohnort in der Kranich-Zugroute liegt, hatte ich immer davon geträumt, diese majestätischen Vögel auch mal am Boden fotografieren zu können. Dieser Wunsch hat sich dann auch erfüllt. Seit nunmehr acht Jahren begleite ich ein Kranichpaar vom Eintreffen im Brutrevier Ende Januar/Anfang Februar bis zum Flügge-werden der Jungen.
Die meisten Aufnahmen entstanden am frühen Morgen, fast immer aus einem Dauertarnzelt, das die Vögel als Teil der Landschaft akzeptieren. Durch etwas Mais verbinden die Kraniche den Ansitz mit etwas sehr positivem und bringen sogar nach kurzer Zeit ihre Jungen mit in die Nähe des Versteckes. Als sehr wachsame Tiere - besonders in der frühen Nachwuchsphase - empfinde ich das als einen besonderen Vertrauensbeweis.
So sind im Laufe der Zeit zahlreiche Aufnahmen entstanden, die das Jahr eines Kranichpaares von der Balz bis zum flügge werden der Jungen dokumentieren.
Mitte Juli verlässt die Familie gewöhnlich dann das Brutrevier.
Abgesehen von kurzen Besuchen auf der Wiese heißt es dann für mich Abschied zu nehmen und zu hoffen, das die beiden Grauen im nächsten Jahr unversehrt aus dem Winterquartier zurück kommen.
Zum Andenken an den verstorbenen Naturfotografen Günter Baumgart eine wundervolle Geschichte von ihm:
Erzählung von Günter Baumgart (1929-2010)
Im strahlenden Blau wölbte sich der Himmel über das braune Land.
Die Feldlerchen standen hoch in der Luft und ließen ihren trillernden Ruf hören. Drüben auf dem Feld war ein Bauer damit beschäftigt, die schwarzen Erdschollen umzuwerfen. Der Frühling ist heuer schnell in das Land gezogen und meinte es gut.
Zwar fegte noch nachts ein eisiger Wind über die Ebene und der Bachfrost ließ zum Gruß eine dünne Eisschicht auf Tümpeln und Gräben zurück, aber die Sonne hatte am Mittag rasch das Eis wieder in blankes Wasser verwandelt.
Im Moor rieben sich die Schilfgräser knisternd im Winde und sangen das Lied vom erwachenden Leben. Auch die Stockenten spürten die seidige Luft und schaukelten paarweise auf dem dunklen Wasser.
Der Bauer hatte gerade seinen Pflug gewendet und legte eine Verschnaufpause ein. Er hatte seine Weste ausgezogen, denn Sonne und Arbeit hatten ihn erwärmt. Eine frische Röte hatte sich in seinem Gesicht ausgebreitet und sein Atem dampfte in der Kühle der Frühlingsluft. Sein Zugpferd, die alte Jule, schnaufte entspannt und stieß dampfende Wolken aus geblähten Nüstern;
So standen die beiden regungslos da und genoßen die Zeitlosigkeit der Stille.
Ein heller Ruf aus dem Blau des Himmels ließ beide aufhorchen.
Der Bauer hob die schwere Hand und beschattete das Gesicht.
Hoch droben zogen große schlanke Vögel mit rudernden Schwingenschlag dahin.
Zu drei spitzen Keilen hatten sie sich formiert: Es waren Kraniche!
Der Bauer liebte die grauen Vögel mit der roten Kopfplatte- galten Sie doch seit Menschengedenken als Hoffnungsträger und Vögel des Glücks!
In diesem Moment hoffte auch der Bauer auf ein gutes Jahr und eine reiche Ernte.
Er kannte die eleganten, grauen Vögel gut und wußte: Mit Ihnen zog der Frühling in das Land und zeigte den richtigen Zeitpunkt für die Feldarbeit an. Er wäre ein schlechter Bauer gewesen, wenn er nicht sehnsüchtig das Frühjahr erwartete, um mit lustig knallender Peitsche wieder auf das Feld fahren zu dürfen.
Oft hatte er die Kraniche im Moor beobachten können: Morgens, wenn sie mit trompetenden Doppelschrei die aufgehende Sonne begrüßten. Er nahm es Ihnen auch nicht übel, wenn sie zur Äsungszeit auf seinen Feldern standen und an der jungen Saat zupften. Er gönnte Es ihnen gerne.
Jetzt hatte der Führer des ersten Keils sich fallen lassen und segelte mit gespreizten Schwingen einen Kreis. Wie auf Kommando schwenkten auch die anderen Kraniche ein und senkten sich spiralenförmig tiefer. Das große Moor lockte zur Rast.
Vielleicht war auch schon das hiesige Brutpaar dabei und würde wieder bleiben?
Bei diesem Gedanken zog eine stille Freude in das Gesicht des Bauern;
Er hängte sich die Pferdeleine wieder um die Schulter, herrschte sein Pferd mit einem kurzen Ruf an, daß langsam und beständig sein Tagwerk wieder aufnahm und mit stoischer Ruhe die Furchen in den Acker zog.
Der Bauer führte mit festen Fäusten den Pflug, während ein Holzweib sich auf dem Feldweg geradewegs zum Wald bewegte und ein frohes Lied vernahm das über das Feld schallte. Der Bauer pfiff eine Melodie, die ihm spontan in den Sinn kam.
"Das kommt nicht alle Tage vor." dachte sich das Holzweib und wunderte sich.
Es waren nun einige Wochen in das Land gegangen.
Die Kraniche waren längst weitergezogen. Nur das alte Brutpaar hatte im Moor wieder Quartier genommen. Eines Morgens standen die beiden Graukraniche auf der kleinen Moorwiese und warteten auf das Erwachen des Tages. Als sich die brandrote Sonnenscheibe über den Kiefernwald schob, trompeteten sie mit hellen Doppelschrei dem lebensspendenden Licht ihren Gruß entgegen. Sie standen heute noch lange da und flogen nicht wie sonst bald zu ihren Äsungsplätzen.
Plötzlich faßte der Hahn ein Rohrstückchen und warf es spielerisch in die Luft.
Er schritt dann in großen Kreisen um die Kranichhenne. So ging das eine Weile fort. Der Hahn wurde immer erregter und fing an zu hüpfen, zog seine Kreise enger und enger. Auch die Henne drehte sich jetzt mit wiegenden Schritten im Kreise.
Das Spiel wurde noch lebendiger: Beide verneigten sich tief voreinander und es war, als ob die Kraniche sich zum Tanze drehten.
Jäh richtete sich der Hahn auf, hielt plötzlich für eine kleine Ewigkeit inne, breitete elegant seine Schwingen aus und besprang mit geknickten Stelzen die Henne;
Die Kraniche im Moor feierten Ihre Hochzeit!
Bald sah man die großen Vögel nur noch selten. Sie zeigten sich nur noch einzeln und waren heimlicher geworden.
Auch die Stockentenerpel waren zum kleinen See am Rande des Moores gezogen. Die Weibchen sah man nur noch morgens und abends. Nur ein Taucher schwamm ab und zu mit kräftigen Stößen über das stille blanke dunkelbraune Wasser.
Über Ried und Rohr senkte sich eine merkwürdige Stille:
Es war so, als müßte das Moor ein großes Geheimnis hüten!
gez. Günter Baumgart